UNTER DEM SOMMER
... Von Paul Cezanne kennen wir den Satz, den er an der Wende des 19. Jahrhunderts zum 20sten im Gespräch mit Joachim Gasquet formulierte und der einen ästhetischen Paradigmenwechsel markiert: «Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur.»
Tatsächlich sollte eine Malerei, eine Kunst, wie sie Cezanne und hunderte Maler nach ihm schätzten, die visuellen Erscheinungen der Natur bzw. unsere Eindrücke von der Natur der Erscheinungen nicht nachahmen oder duplizieren, sondern nur nach ähnlichen Gesetzen organisiert sein wie die Natur. Und gerade dadurch, durch diese Unabhängigkeit, das Wesentliche, die Prozesse von Werden und Vergehen, ihre Rhythmen, Konstellationen, Wirkungen adäquater zum Ausdruck bringen als jene Malerei, die noch – wie bei den Impressionisten – die Erscheinungen des Natürlichen im Wechsel von Licht und Schatten möglichst unmittelbar einzufangen, festzuhalten und mit den Mitteln der Kunst für die Augen zum Verwechseln ähnlich zu replizieren bestrebt war.
Nach Cezanne haben sich andere, freiere Formen des Landschaftlichen in der Bildenden Kunst etabliert. Kunstlandschaften auf Leinwänden, Pappen und Papieren, die nicht mehr als fein ausbalanciertes Echo auf unsere Seherlebnisse konzipiert sind, sondern im übertragenen Sinne auf Prinzipien des natürlichen Schichtens und Verfallens, des Wachsens und Verdorrens, Schrumpfens, der Ablagerung und der Abtragung von Sedimenten etc. in den zwei Dimensionen des Bildformats Bezug nehmen. Deren Texturen die Materialoberflächen der uns erscheinenden Welt nicht mehr oder weniger täuschend echt imitieren, sondern sie direkt, wenn auch in maßstäblicher Anpassung, in den Kunstkontext übertragen.
Zu dem weiten Spektrum der neuen Landschaftskunst des 20. und 21. Jahrhunderts zählen auch die Malereien, die Aquarelle und die künstlerischen Druckgrafiken von Thomas Blase. 1962 in Jena geboren, studierte er von 1983 bis 1986 an der Hochschule für Industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein in Halle und von 1988 bis 1993 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden im Fachbereich Malerei. Seit er dort seine Diplomarbeit verteidigt hat, ist er freischaffend als Maler, Grafiker und Bühnenbildner in Halle tätig.
Die Bilder von Thomas Blase geben ihren Betrachtern keine perspektivisch konstruierte Raumillusion auf der Fläche, sondern Raumeindrücke, die durch die faktische Überlagerung halbtransparenter Farbflächen entstehen, die von warmen Farbtönen mit Nahwirkung und kälteren mit Fernwirkung ausgehen, vom Verhältnis der größeren zu den kleineren Formen etc. Keine Fensterblicke in die Welt also, sondern die Kultivierung bildnerischer Energien und Zeichen, die uns so natürlich erscheinen wie Sanddünen, Flussläufe und Wolkenformationen, bildnerische Äquivalente für atmosphärische, maritime oder geologische Prozesse, die in Epochen von Jahrhunderten, Jahrtausenden und Jahrmillionen gemessen werden, in denen sich Sedimente ablagern und wieder ausgewaschen werden, Rinnsale zu Wasserläufen werden, die zu mäandern beginnen, mal anschwellen, dann wieder versickern, sich vereinigen und wieder verzweigen – so oder so ähnlich verhalten sich auch die Farbenflächen und -ströme in den Malereien von Thomas Blase. Vom Pinsel ins Leben gehobene, zur Anschauung gebrachte Formen versammeln und verdichten sich – und lockern sich auch wieder auf, schwellen an und ab, ähneln einander und bilden dann eigenartige visuelle Rhythmen der Wiederholung und Variation aus. Die Farbflächen und -ströme zeigen ihr jeweils eigenes Sediment – jene Farbpigmente, die sich staubkörnchengroß im Bindemittel fortbewegt haben, wie hingeschüttet wirken, bis sie sich auf der Malfläche ablagerten. Pinselstriche sieht man kaum mehr in dieser Malerei, aber Farbströme in ihrem ruhigen Verlauf, delikaten farblichen wie tonalen Abstufungen und Transparenzen. Im Detail wirken diese Kunstlandschaften, als wären sie nicht von Menschenhand geformt worden, sondern von den Kräften der Natur: Gravitation, Vulkanismus, tektonische Prozesse, Anschwemmungen, Ablagerungen …
All diese Beobachtungen lassen die Bilder des Künstlers wie Antworten im Kleinen auf großes Geschehen erscheinen, wie einen Mikrokosmos der Malerei in Korrelation zu makrokosmischen Prozessen der Natur. Das Prozesshafte ist in den Bildern zwar zur Ruhe gebracht und erstarrt, doch es macht sie reich an Spuren, Indizes, vergangener Bewegung – ganz so, wie wir Menschen Spuren lesen in der Natur irdischer und kosmischer Prozesse.
Spuren vergangener Bewegung und natürliche bzw. naturähnliche Texturen – hier treffen sich die Intentionen und Wirkungen der Kunstwerke von Petra Töppe-Zenker und Thomas Blase. Sie ergänzen einander als flache oder körperliche Träger von Spuren. Sie haben eine ausgeprägt stoffliche, gleichsam taktile Präsenz. Es sind Kunstwerke, deren Harmonie parallel zur Natur schwingt, die nicht nur Cezannes Credo Stück um Stück verwirklichen und aktualisieren, sondern uns Betrachter auch auf unsere vornehme Tätigkeit verweist – zu betrachten und dabei in eine Resonanz mit dem Betrachteten zu finden, die mehr als nur das Visuelle umfasst. Es geht darum, so eingehend und achtsam jedes Detail und das Ganze zu betrachten, dass sich der Übergang vom einfachen Sehen zur Kontemplation und Meditation unmerklich und fließend vollzieht. Mit dieser Art des Schauens kämen wir wohl den Vorstellungen der Künstlerin und des Künstlers vom idealen Betrachter ihrer Werke sehr nahe.
Kai Uwe Schierz, anläßlich der Ausstellung "Unter dem Sommer" in der SILO-Galerie in Sömmerda, 2019
Augenblickliche Landschaften
Thomas Blase geht es um etwas, was die Maler schon seit jeher beschäftigt: das, was wir erleben, was in uns als Raumempfinden, als Lichtstimmung, als Augenblick Empfindungen weckt, in Zeichen, Farben und Strukturen auf die Fläche zu bannen und sich damit die kosmische Komplexität in der ästhetischen Ordnung des Bildes zu vergegenwärtigen und sich ihrer zu vergewissern. Der Maler sieht sich in die Situation und vor die Aufgabe gestellt, trotz und angesichts der überlieferten und aktuellen Bilder, der zunehmenden Geschwindigkeit, mit der sie wechseln und wahrgenommen werden (müssen), ein gültiges Bild zu finden, in dem die Dimensionen unseres Lebens enthalten sind. Seine Suche danach spielt sich im Prozeß des Malens selbst ab und spiegelt sich darin wider.
Besonders gut bewahren die Arbeiten auf Papier, für die verschiedenste Malmittel und Zeichenmaterialien benutzt werden, die Spontaneität und Offenheit des Arbeitsprozesses mit all seinen Ab- und Unterbrechungen, und damit den Vorgang der Bildfindung. Dort ist nachzuvollziehen, wie sich Farbschichten übereinander lagern, ineinander fließen und sich durchdringen. Farben und andere Malmittel behalten Transparenz und konstituieren ambivalente Situationen, die zwischen der Erzeugung von Farbräumen und der Ausbreitung in der Fläche schwanken. Oft werden sie gekreuzt, umfahren, übergittert von Linien. Der Maler legt grafische Strukturen aus, die sich verspannen und verknäulen können, die anheben und wieder abbrechen, die die Farben überfahren und die Bildfläche beherrschen, wie sie auch die Vorstellung von Perspektive und damit Räumlichkeit zu eröffnen vermögen. Es entsteht eine Art Umschlagmöglichkeit von der Fläche in eine Räumlichkeit, die sich der perspektivischen Sicht letztendlich aber doch wieder entzieht. Aus den Zeichen und Farbfeldern imaginiert das Auge Licht und Raum, besetzt das Assoziationsvermögen die Bilder mit Stimmungen. Lichte und verschattete Bildräume rufen Landschaften auf, die nur wie flüchtig wahrzunehmen sind, die nicht beständig zu sein und sich in dauernder Wandlung zu befinden scheinen. Die Assoziation wird im Bild selbst wieder gestört, weil es sich als eigenständiges abstraktes Gefüge behauptet. So wird die Imagination immer wieder verunsichert, unterbrochen, hinterfragt.
Der Augenblick des Wiedererkennens bleibt flüchtig. Das Bild legt seinen Prozeß offen, und es bleibt offen. Die Ordnung des Bildes hebt an und bricht sich wieder, spiegelt sich in sich selbst und setzt neu ein. Zum Code der lesbaren Zeichen, zu dem Stimmungswert der Farbe, der Schwärze der Linie und der Leere des Untergrundes tritt der Impuls der Hand in der Bewegung der Zeichnung, der Zufall im Verlauf der Farbe und die Körperlichkeit der Stoffe hinzu. Jedes Bild ist die Auseinandersetzung mit dem eingeübten Sehen, das der Maler immer wieder abbricht, um den Blick anders zu erheben, und die Annäherung an etwas, das erst sichtbar werden will.
Thomas Blases Bilder bleiben vieldeutig, Umschlagplatz der Bilder, die sich abgelagert haben in der Welt und in uns, Plätze, auf denen sich neue Bilder ausbreiten wollen.
Cornelia Wieg, Ausstellungskatalog Landeskunstausstellung Sachsen-Anhalt 2003
Landschaftsmalerei. Die meisten Menschen haben andere Sorgen als diese Bilder und das ist leider nicht richtig. Schönheit ist ein flüchtiger Zustand. Thomas Blase malt immer wieder den imaginären Blick aus dem Fenster. Landschaft ist nun mal nur das was man sieht, wenn man aus dem Fenster blickt: Zug, Auto, Küche, Bad, Atelier. Der Ausblick hat etwas flüchtiges, die Szenerie wartet auf einen bevorstehenden malerischen Wetterumschwung.
Was denkt der Mensch wenn er aus dem Fenster schaut: was ist Kultur, was ist gemacht, was ist unvermeidlich, was kann gestaltet werden, was ist Schicksal?
Die Bilder tragen keine Titel. Das ist Logisch. Sie sind stumme Orakel. Da ist nichts in der Ferne und das was ist, geht vorüber – oder in dem weiten Raum sehen wir auf einmal andere Möglichkeiten aufscheinen als im Inneren Ich. Aber auch das geht vorüber.
Landschaft: das sind viele Schichten von verformten Ablagerungen, Humus und Sand und Geröll und Felsen. Erosion, Vegetation-Wechsel, tektonische Verschiebungen, jene Spuren, die Kalt- und Warmperioden hinterlassen.
Und dann kommen so kleine Wesen und die hinterlassen Kulturlandschaften, Industrielandschaften, Bergbaufolgelandschaften, Stadtlandschaften, gewerbliche Mischnutzungen, Ruinenlandschaften, die wiederum wahlweise romantisch oder – wie jetzt wieder aktuell in Europa – als aktives Schlachtfeld.
In der Malerei gibt es belebte Landschaften die heißen dann: die Heuernte, oder Napoleon bei Borodino oder Berliner Straßenszene – und es gibt die Unbelebten, die heißen: der Böhmerwald, der Seerosenteich, die Toskana, das Eismeer, die Kreidefelsen von Rügen.
Bei Thomas Blase liegen alle diese Landschaften übereinander, als Extrakt oder Minimierung gesehener Dinge.
Jede Landschaft ist eine Seelenlandschaft, weil Landschaft nur da ist, wo die Seele etwas sieht, alles andere ist unsichtbar wie die Higgs-Boson-Teilchen.
Es geht um den Raum in dem man sich bewegt, der vor einem liegt, der notwendig ist um unser Lebensfunktionen zu erhalten, also die Luft zum Atmen.
Das Geheimnis der Landschaft als Seelen-Orakel, ist das Geheimnis des Gartens, der Paradiesvostellung. Die Erwartung, die in einer Aussicht liegt, in der “schönen Aussicht”, ist der Traum von der Kultivierung des Blickes, der Blick schweift freundlich über die von höherer Stelle versprochenen Komfortzonen. Für den wachen Verstand müsste sich spätestens jetzt der Horizont vernebeln. Diesen Moment malt Thomas Blase.
Man hat noch einen gewissen Duft in der Nase der kommt vom Prozess des Durchtrocknens der Farbflächen, ein ätherisches Diffundieren. Wir sehen Farbflächen: Flecken, Lachen, Pfützen. Thomas Blase spielt mit einem berechneten Kontrollverlust bei der Entstehung des Bildes. Der Zufall darf eine gewisse Zeit mit malen. Die Farbe läuft in ihren Raum. Sie formiert sich in mehr oder weniger transparent überlagerte Schichten. Die Ränder der Formgruppen sind die Verlaufsränder, die Außengrenzen der Farblachen, Trocknungsringe.
Ölfarbe hat die Eigenart malerische Effekte zu erzeugen, auch wenn der Autor das Material einfach laufen lässt, eine Form der Verselbstständigung des Materials.
Diese Bilder werden erst nach einiger Zeit aus der Waagerechten in die Senkrechte gekippt.
Gezogene Striche, Linien, Felder werden sehr behutsam eingefügt, keine Brüche, alles bleibt in der Balance.
Der Künstler schleicht sich hier nicht etwa raus aus der Verantwortung, es geht um eine gewisse Distanz zu einem aktiven handgreiflichen, handwerklichen Prozess. Zu fünfzig Prozent ist es ein Malen mit den Händen in den Hosentaschen. Das ist Ausdruck der Skepsis dem Objekt gegenüber, sowohl dem betrachteten als auch dem geschaffenen.
Zum Schluss geht es dann auch nicht um Korrekturen, sondern um eine Bewilligung, Autorisierung des Objektes. Zum einen geht es darum, dem Chaos Einhalt zu gebieten – zum Anderen ist ein Zurückstellen der Handschrift hinter der Form, das Kaligraphische wird zurück genommen.
Der Autor der Farbverläufe betreibt sein Spiel mit dem Betrachter. Was wollen wir sehen, wie sortieren wir uns die Welt nach Oben und Unten, Hinten und Vorn, Wichtig und Unwichtig, Bedrohlich, Freundlich, Annehmbar? Wie weit wollen wir oder müssen uns dem Sichtbaren assoziativ nähern. Gibt es so etwas wie einen Deutungsdrang?
Der Raum: schwebende Horizonte, diffuses Material, transparente Flächen – das alles werden Volumen leichter flüchtiger Stoffe. Die Farbmaterie besteht aus unscharf definierten abstrakten Massen. Da nähern wir uns der höheren Mathematik oder dem tieferen Sinn. Letztlich geht es hinter und in all den vermeintlichen Nebelschlieren um den konkreten Anblick, um das Fangen der unbegreiflichen Realität.
In den durchdringenden Sphären gibt es keinen festen Grund, keine zwingenden Perspektiven, keine Bauvorhaben, kein Raumordnungsverfahren. Malen ist materialisiertes Nachdenken, im Kopf des Malers entsteht ein Höhlengleichnis, die Bilder sind ihr tiefgestaffeltes Kondensat.
Alles ist leicht, es gibt keine Vorgaben an das Publikum, keine Agitation – aber eines taucht endlich wieder auf in diesen Farbschatten: das Hallesche Grau, wohlvertraut und gepflegt von Knispel, Kitzel, Bunge, Hahs, Bachmann Möhwald. Das hat nichts mit Verschmutzung, Ermüdung, Resignation oder Bescheidenheit zu tun – das ist der Hallesche Topos sensitiver Emotionen oder mit anderen Worten ein höchst gefühlvolles Empfinden der Welt gegenüber.
Rüdiger Giebler, zur Ausstellung 2015 in der Zeitkunstgalerie Halle
Ich freue mich, hier heute abend ein paar Worte sagen zu dürfen über Künstler und Werk. Es gibt eine kleine Reihe mit Malerei im UFO, genannt edition sensus, entstanden als Angebot bei einem Gespräch mit Galerist Holger Neumeier. Diese Reihe soll eine Lücke schließen helfen, die hier lokal in der Wahrnehmung von Malerei entstanden ist. Begonnen haben wir mit Torsten Pfeffer im letzten Jahr, einem jungen Leipziger Künstler, der sich simultan in den Sphären Musik und Bildkunst bewegt.
Heute abend also eröffnen wir die 2. Ausstellung dieser Reihe. Es ist schön, dass wir Thomas Blase dafür gewinnen konnten, hier eine kleine wichtige Auswahl neuerer und neuester Werke auf Leinwand zu zeigen.
Kennengelernt habe ich Thomas Blase vor vier Jahren, als ich selbst auf der Suche nach einem Lehrer oder Mentor war, der mit meinen eigenen Bildern etwas anzufangen weiß. Der Effekt für mich war ein bißchen der des Wanderers, der die Wüste geschafft hat und sich plötzlich an einer Quelle wiederfindet und gar nicht richtig weiß, wie ihm geschieht. Es wurde nicht nur eine Mentorschaft
fürs eigene Kunstdiplom, sondern auch eine sehr wichtige Freundschaft für mich daraus.
Sie merken also, ich stehe hier nicht unbedingt als neutraler Kunstbeobachter, -kritiker, -sachverständiger oder so etwas, aber das verträgt diese Veranstaltung, denn es handelt sich um eine laudatio.
Ein paar Eckdaten der Künstler-Vita möchte ich nennen:
Thomas Blase ist 1962 in Jena geboren, aufgewachsen in Naumburg und Sangerhausen, studierte zuerst in Halle an der Hochschule für Industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein, ging dann 1988 an die Kunstakademie nach Dresden, absolvierte 1993 dort das Diplom im Fach Malerei bei Prof. Claus
Weidensdorfer. Von den Künstlern, die in Dresden zu der Zeit als Lehrer wirkten, erwähnt Thomas Blase immer wieder Elke Hopfe sowie Siegfried Klotz als entscheidende Impulsgeber. Überhaupt betont er immer wieder das Glück,
diese Akademie in ihren sehr freien späten DDR-und Wendejahren besucht zu haben, also sowohl von der Tradition dieser Malerschmiede zu profitieren als auch teilzuhaben an einem geistigen Klima der Öffnung, des Experiments und der Neulandgewinnung.
Als wichtige Ausstellungen respektive Ausstellungsbeteiligungen wären zu nennen: 1997 in der Galerie PulsArt in Winterthur/Schweiz, 2000 in der Baumwollspinnerei zu Leipzig, 2003 Kunst-Sachsen-Anhalt2 im hiesigen Landesmuseum und 2008 in der Galerie Susanna Ruegg in Zürich.
Thomas Blase war zwei mal Stipendiat der Stiftung Kulturfonds 2001/2003 und einmal dazwischen im Kunstverein Röderhof 2002.
Trotz der Dresdener Jahre blieb Thomas Blase weiterhin Wahl-Hallenser und ist es bis heute geblieben. Hier entstand und entsteht also sein Werk, das wir anschauen können als permanent im Fortschreiten begriffen, als fortdauernden Befreiungsversuch innerhalb der Gattungsgrenzen. Zunächst ging es jahrelang
sehr stark in die Zeichnung, in die analytische Essenz, in die Reduktion. Dabei hat er sich ein elementares Zeichensystem erarbeitet oder sollte man sagen erkämpft ? Fast schon beispielhaft löste sich das Exterieur auf in die grundlegenden raumbildenden Elemente. De-Konstruktion wäre vielleicht ein ganz nützlicher Begriff an dieser Stelle.
Jedes Element, das er für sich dabei herausgeschält hat, den Fleck, die raumgreifende Linie, die stehengelassene Leere, die Übermalung, wird nicht auf seine reine Geometrie zurückgeführt, sondern bleibt organisch und vital und gewinnt dadurch an Autonomie. Heraus kommt dabei kein ausgefeilter Stil und keine Strategie, kein diskursives Agieren, kein weiterer gnadenloser remix, sondern eine originäre visuelle Poesie, die ins größtmögliche Offene strebt, und sich dabei permanent selbst hinterfragt. Größtmögliche Offenheit heißt bei Thomas Blase auch immer, dass sich die Bilder einer allzu konkreten
Deutbarkeit verweigern. Die hinterfragende Reflektion betrifft also auch die Bildsujets selbst.
Als einen sinnstiftenden Rahmen finden wir fast immer Elemente einer Reflektion von Landschaft, gleichzeitig streben die Arbeiten aber immer darüber hinaus oder schrecken davor zurück. Ein dramatisches Wechselspiel von Finden, Zulassen, Übermalen und Auslöschen spielt sich ab, hinterläßt aber niemals Leere, sondern den Reichtum der Spuren dieses Prozesses.
"Alles ist für mich Landschaft oder wird zur Landschaft" sagt der Künstler selbst, fast so, wie es einer seiner Lieblingsdichter, Fernando Pessoa, einmal über den Schreibprozeß formuliert hat.
In den letzten Jahren nun gewinnt die Farbe an Präsenz in den Arbeiten, wird in ihrer Materialität teilweise sogar zum führenden Element. Ein individueller Pinselstrich wird dabei vermieden; die geschütteten Farbflächen und eingetrockneten Emulsionen führen ein elementares Eigenleben, bringen ihre eigene Erzählung in das Bild ein.
Das Analytische der Zeichnung geht dabei nicht verloren, sondern scheint durch, wird integriert. Die eruptive Dynamik der Farbflecken bringt ungeheure Energie in die Bilder. Auslöschung und Übermalungen scheinen oft der einzige Weg, diese Kräfte zu integrieren. Glückliche Momente, wenn sich ohne vordergründige
Absicht eine Balance einstellt, die ein Loslassen des Bildes erlaubt.
Bei aller innerer und äußerer Auseinandersetzung, die wir sehen können, erschlagen uns diese Formen aber nie, stoßen uns nicht vor den Kopf, weder mit Brachialität, weder mit Ironie, weder mit Negation. Es bleibt wunderbarerweise immer eine affirmative und dem Sinnlichen nahestehende Malerei.
Das Wort Schönheit, immer noch ein großes Tabu, wagt sich aus seinem Versteck.
Es gibt ein ästhetisches Ideal des japanischen Zen-Buddhismus, dem diese Kunst zu entsprechen scheint, und das Richard Powell so zusammenfasste: "Nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt."
Genug der Analysversuche, so eine Rede will ähnlich wie eine weiße Fläche auch erst mal gefüllt sein. Die Bilder hängen, es gibt glücklicherweise auch eine Auswahl Papierarbeiten in einer Mappe, ebenso ältere Kataloge zur Ansicht, die das eben gesagte unterstreichen könnten.
Danke, Thomas, für diese Bilder.
Zum Abschluß noch ein Zitat von Albert Einstein: "Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge
erloschen."
Jörg Wunderlich, anläßlich der Ausstellung in der UFO-Galerie Halle, 2009